Der geheime Garten. 2011.

Geheimer GartenDie Grillen tun ihr bestes, die ohnehin perfekte Sommerabendluft mit ihren unverkennbaren Zirpen zu füllen.
Das Gras steht dir bis zur Hüfte und wölbt sich leicht, wenn deine Hand drüber streift. In diesem Augenblick vermisst du nichts.
Nichts von all dem, was du morgens im Bett, mittags auf dem Tisch und abends so alles Wünschenswerte gerne hättest.
Der heutige Sommertag hat dir richtig Farbe ins Gesicht gestanzt, das weiche Wasser des Sees dich erfrischt,
der unbekannte Geruch von Blumen in deiner Nase gekitzelt. Du streifst weiter durchs Gras, am Waldrand entlang, über einen – ist der schon immer dagewesen?
– Steg über einen kleinen Tümpel. Das morsche Holz knarzt unter deinen Füßen. Barfuß. Aus einiger Entfernung vernimmst du Lachen, das an dein Ohr dringt.
Mehrere Stimmen, nicht zuordenbar. Klingende Gläser, und wieder Lachen. „Seltsam“ denkst du bei dir. „ich dachte, dass in dieser Richtung nur Wald wäre.“

Neugierig bahnst du dir weiter den Weg, das Abendrot schimmert durch die Bäume, und lässt die Luft flimmern.
Es duftet nach Harz. Im letzten Licht der Abendsonne erkennst du es: Lichtschein von Fackeln, oder sind es große Kandelaber?
Die Stimmen kommen immer näher. Hier muss es sein, was sich da langsam aus der Dämmerung schält.

Mit einem gewinnenden, lustvollen Lächeln im Gesicht steht die Gestalt plötzlich vor dir, zu angenehm, als dass man erschrecken könnte.
„Schön, dass du den Weg gefunden hast. Trete ein, nimm dir ein Glas, ich führe dich und zeige dir meinen bescheidenen Garten.
“ Die Türe, durch die du eingetreten bist, hast du vorher noch nie bemerkt.

Eigentlich wollte sich der Gedanke „seltsam“ in deinem Kopf formen, er gelang aber nicht, denn der „bescheidene Garten“,
wie es die reizende Person formulierte, war alles – nur nicht bescheiden.