Der Ball. Edition Austria. 2016.

Juli 2016, 20 Grad Celsius, 20.50 Uhr

Die Abendgesellschaft hat sich im Foyer des Schlosses “Belle d’amour” versammelt; das Ballett beginnt pünktlich um 21.00 Uhr.
Die distinguierten Damen und Herren geben sich keinerlei Blöße: lediglich die blitzenden Augen verraten die Vorfreude auf das bevorstehende Ereignis
– Blicke getragen von Wollust und Begierde.

Die “Jagdgesellschaft” hat heute nur ein Ziel: den visuellen Rausch zu erfahren, um ihn dann gemeinsam auszuleben.
Juli 2016, 25 Grad Celsius, 21.00 Uhr

In ihren besten Uniformen, auf das Schönste adjustiert und geschmückt, begeben sich die Herren in den Theatersaal, ihre Partnerinnen galant am Arm führend.
Sie nehmen ihre Plätze mit Blick auf die Tanzfläche ein in freudiger Erwartung auf das kommende Szenario. Dann bricht die Stille:
Die Musik aus “Schwanensee” beginnt zu erklingen. Die erste Ballerina erscheint auf der Bühne und der Tanz beginnt.

“Sollten die Freunde Lust haben, Schamlosigkeiten zu begehen, dann blieb dies bisher unausgesprochen. Es wird Exzesse geben,
unter denen sie zu leiden haben werden, das aber darf die Abendgesellschaft nicht schrecken. Mögen sie ihr Geschick entschlossen auf sich nehmen.”

Noch wurde keiner der Männer für eine leichte Unachtsamkeit bestraft. Hoch konzentriert verfolgt ein Jeder im Publikum das Geschehen.
Juli 2016, 28 Grad Celsius, 21.15

Die Tänzerinnen umgarnen den männlichen Solisten. Ein Ballett von hingebungsvoll engagierten Mädchen begleitet von ihren affig einher stelzenden
Tanzpartnern. Die Körper bewegen sich leicht und bestimmt zur Musik. Der weibliche Akt entfaltet sich vollständig auf der Bühne,
der männliche Akt strukturiert die Bahnen.

Die Hitze im Raum steigt kontinuierlich; die Grenze zwischen Performance und den Voyeuren scheint unmerklich immer mehr zu verschwinden.
Kann das Eins werden gelingen?

Gefährliche Liebschaften bahnen sich schon jetzt ihren Weg. Wohin wird diese Reise führen? Das Intrigenspiel beginn,
und es verspricht die Gelüste aller Anwesenden zu befriedigen. Die Erwartungen der Gesellschaft steigen allmählich ins Unermessliche… ein
erotisches Karussell nimmt seinen Lauf!
Juli 2016, 32 Grad Celsius – 40 Grad Celsius, 21.30 Uhr – Sonnenaufgang

Die Projektionen der Rose tauchen die Bühne in ein unwiderstehliches Rot. Das intensive Licht reflektiert die tanzenden Körper.
Immer mehr gerät der Laufsteg, welcher direkt in die Reihen der Zuschauer führt, in den Fokus des Geschehens.
Verführerisch räkeln sich dort die Tänzerinnen. Dann wird der erste Gast aus der Gesellschaft auf die Bühne gebeten.
Die Grand Madame des Tanzes reicht ihm eine Hand, die er annimmt und lässt sich auf die Bühne führen.
Die Temperatur im Saal erreicht allmählich ihren Höhepunkt. Die Grand Madame führt dem Lüstling die Frauen zu,
die dieser schon gedanklich in Gewahrsam genommen hatte. Der libidinöse Serientäter eilt nun von Tänzerin zu Tänzerin.
Zuerst leisten diese noch Widerstand, dann bieten sie sich an. Schließlich fällt seine Wahl auf eine von ihm auserkorene Grazie:
er nimmt sie förmlich nach den Gesetzen des Heißhungers!

Der eigentliche Akt beginnt nun. Immer mehr der Zuschauer, Damen und Herren, werden währenddessen auf die Bühne geholt.
Der karnevaleske Auftritt organisiert sich in der Vermischung. Männer- und Frauenleiber winden sich zu einem Menschenknäuel der Begierde.

Die selbst ernannten Herrscher schrecken vor Nichts zurück – meist wird mehr gefoltert und deklamiert als getanzt.
Die Damen übertrumpfen jedoch alle männlichen Akteure. Wehe dem, der ihnen Untertan sein muss! Die königliche Revue beginnt.
Die Wüstlinge vermischen sich mit den Grazien. Weibliche und männliche Akteure sind Helden und Opfer zugleich!
Das barocke Spektakel verschmilzt im Mythos der Begierde.